Nur die Schiffsglocke erinnert noch an den Salondampfer "Christoph"

„Hohentwiel“ verdrängte den Dampfer „Christoph“ in die Reserve

Nur die Schiffsglocke über dem Ankerspill des Motorschiffes "Stuttgart" erinnert noch an den Salondampfer "Christoph", der von 1878 bis 1890 der Stolz der württembergischen Dampferflotte war. Das Zeitalter der Salondampfer war im Jahre 1871 von der badischen "Kaiser Wilhelm" eingeläutet worden. Zeitgleich mit dem zweiten badischen Salonschiff "Greif" wurde auch von den Königlich Württembergischen Staatsbahnen der Bau eines dieser neuzeitlichen Salonschiffe beschlossen. Den Namen des württembergischen Herzogs aus dem 16. Jahrhundert hatte zunächst die 1872 von der Schaffhauser Dampfboot-Gesellschaft erworbene "Hohenklingen" erhalten. Dann aber schien dieser Namen für ein neues "Salonboot" angemessener und die frühere "Hohenklingen" wurde in "Mömpelgard" umbenannt. Das heutige Montbeliárd in der Burgundischen Pforte zählte damals zu den Besitztümern des württembergischen Königshauses.

Im Juli 1877 wurde mit dem Zusammenbau der von der Zürcher Maschinenfabrik Escher Wyss vorgefertigten Einzelteile begonnen. Die „Christoph“ war bereits der siebte Salondampfer der damals schon international renommierten Schiffbaufirma am Zürcher Limmatufer. Der badischen „Kaiser Wilhelm“ folgten schon ein Jahr später die „Germania“ und „Italia“ für den Vierwaldstättersee. Nur drei Jahre später wurden für den Zürichsee und den Genfersee die bis dahin größten Salondampfer „Helvetia“ und „Montblanc“ mit einer Länge von 65 Metern und einer Tragkraft von 1200 Personen gebaut. Bei einem Vergleich mit diesen „Giganten“ waren die Abmessungen der nur 55 Meter langen „Christoph“ eher bescheiden. Wegen der nautischen Verhältnisse in den künstlich angelegten Bodenseehäfen konnten damals nur Fahrgastschiffe bis zu 58 Metern Gesamtlänge gebaut werden. Eine Ausnahme bildeten die großen Dampffährschiffe, die mit zwei getrennt arbeitenden Maschinenanlagen ausgerüstet waren. Trotzdem galt der Salondampfer „Christoph“ als eines der komfortabelsten Schiffe seiner Zeit. Der Salon I. Klasse war ebenso wie die hintere Kajüte mit neobarocken Stilelementen und dunkelroten Plüschpolstern ausgestaltet. Für die Kajüte der II. Klasse im Vorschiff wurde lackiertes Tannenholz verwendet. Angetrieben wurde das Schiff durch eine Zweifach-Expansionsmaschine mit einer Leistung von 350 Pferdestärken, die eine Geschwindigkeit von rund 24 Stundenkilometern ermöglichte. Ursprünglich war der Dampfer für eine Tragkraft von 800 Personen zugelassen, die aber 1896 aus Sicherheitsgründen auf 400 Passagiere reduziert wurde.

Die „Christoph“ sollte vor allem auf der klassischen Querverbindung zwischen Friedrichshafen und Rorschach neue Impulse setzen. Während die anderen Direktrouten zwischen den deutschen Anliegerstaaten und der Schweiz gemeinsam mit der Nordostbahn-Gesellschaft befahren wurden, verkehrten nach Rorschach aufgrund eines immer noch gültigen Privilegs aus dem Jahre 1824 ausschließlich württembergische Schiffe. Im Zeitalter der Eisenbahn bestanden in Rorschach nicht nur Anschluss-Möglichkeiten in Richtung Chur und St. Gallen, sondern auch mit der Zahnradbahn nach Heiden. Besonders die Molkereikuren in dem 400 Meter über dem See gelegenen Luftkurort wurden damals von gutbürgerlichen Kreisen aus dem gesamten süddeutschen Raum besonders geschätzt.

In den 1890er Jahren wurde der Salondampfer „Christoph“ von den neuen „Königsschiffen“ etwas in den Hintergrund gedrängt, erreichte aber trotzdem eine jährliche Fahrleistung von rund 25.000 Kilometern. Nach erfolgten Krängungsversuchen wurde ab 1896 die zulässige Personenzahl von ursprünglich 800 Fahrgästen auf realistischere 400 Fahrgäste reduziert. Durch den Umbau der Maschine in ein echtes Verbundsystem und neuen Schaufelrädern, konnten Leistung und Wirkungsgrad erheblich gesteigert werden. Neuer „Star“ der württembergischen Dampferflotte wurde ab 1893 die nach der Gemahlin von König Wilhelm II. benannte „Königin Charlotte“. Mit einem Umbau des Dampfers „Friedrichshafen“ (I) hatten auch die württembergischen Staatseisenbahnen schon ab 1878 den Bau von Decksalonschiffen aufgegeben und die bei allen Schifffahrts-Unternehmen am Bodensee übliche Halbsalonbauweise eingeführt. Von württembergischer Seite wurde diese Maßnahme mit der unzulänglichen Nutzung der Unterdecksräume des Dampfers „Christoph“ sowie einer größeren Windangriffsfläche bei auftretenden Föhnstürmen im Lindauer Hafen begründet. Damals mussten in Lindau sämtliche Dampfschiffe nach dem Ausladen der ankommenden Passagiere unter langsamer Rückwärtsfahrt zum Landungsplatz „Dammzunge“ beim alten Mangturm verholen!

Im beginnenden 20. Jahrhundert wartete auf den Salondampfer „Christoph“ eine neue Aufgabe. Zusammen mit dem kleinen Schraubendampfboot „Buchhorn“ wurde er jetzt häufig als Bugsier- und Schleppdampfer für die neuen Luftschiffhallen in der Manzeller Bucht zugeteilt. Schon mit Indienststellung der neuen „Friedrichshafen“ im Jahre 1909, rümpften die Passagiere die Nase, wenn der Dampfer „Christoph“ aufkreuzte. Gegenüber den großflächigen Aussichtsfenstern der ab 1890 gebauten „Königsschiffe“, boten die Schmalfenster des Hecksalons der „Christoph“ dem Reisepublikum nur einen begrenzten Ausblick auf den See und die Landschaft. Als ab Mai 1913 die „Hohentwiel“ aufkreuzte, wurde die „Christoph“ der Flottenreserve zugeteilt. Das Schiff verkehrte von nun an nur noch sporadisch im Kursdienst und wurde nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht mehr unter Dampf gesetzt. Der Dampfer rostete noch acht Jahre lang vor sich hin, bevor er 1922 endgültig in die Schrottpresse wanderte.

(Karl F. Fritz)

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