Vom Kongress-Schiff zum „Schwerarbeiter“

25 Jahre Motorschiff „Graf Zeppelin“

Der futuristische Gesamteindruck galt unter den Verfechtern von klassischen Schiffsformen lange Zeit als umstritten. Denn nach Auffassung der Fundamentalisten unter den Schiffsliebhabern passten Silhouette und Konzeption des neuen Schiffes nicht mehr in das archaische Imagebild der „Weißen Flotte“. Immerhin lag die Indienststellung der „Konstanz“, dem letzten Neubauschiff für die deutsche Bodenseeflotte schon 25 Jahre zurück. Die Bodensee-Schiffsbetriebe verfolgten mit diesem Dreideckschiff ein neues Marketing- und Einsatzkonzept. Der Neubau sollte vorzugsweise für Event- und Charterfahrten sowie für besondere Anlässe verwendet werden. Einsätze im Kursverkehr waren nur im Bedarfsfall vorgesehen.

Erste Vorstudien des technischen Designerteams der Universität in Stuttgart begannen schon 1985. Der Dimensionierung wurden die Abmessungen des 1964 in Dienst gestellten Motorschiffes „Konstanz“ zu Grunde gelegt. Gegenüber den 300 Innenraumplätzen der „Konstanz“ waren bei dem neuen Schiff 520 Tischplätze vorgesehen. Sämtliche Innenräume sollten eine schlichte, sachliche Eleganz ausstrahlen. Während die Antriebsmotoren der bisher gebauten Schiffe wegen des Gewichtsschwerpunktes mittschiffs angeordnet sind, wurden die leichteren Schnellläufer-Motoren des Fabrikates MTU in den Heckteil eingebaut. Dadurch wurde wesentlich mehr Raum für die Infrastruktur und die sanitären Anlagen gewonnen. Den Antrieb besorgen zwei Voith-Schneider-Propeller des Typs 16 E 100. Neu war auch der Einbau einer großräumigen Küche von 85 Quadratmetern im Bereich des Hauptdecks auf dem Vorschiff. Nach den damaligen Auffassungen sollte die Küche mit ihrer großzügigen Infrastruktur näher in den Bereich des Publikums verlegt werden, um dem Servicepersonal größere Wegstrecken zu ersparen. Nach abgeschlossener Planung durch die Konstrukteure Professor Hartmut Seeger und Diplomingenieur Adolf Heidrich, wurde der Bauauftrag im Jahre 1987 an die Österreichischen Schiffswerften in Korneuburg (ÖSWAG) vergeben. Die Vormontage am Donauufer begann am 3. Mai 1988. Nach dreimonatiger Bauzeit war der provisorisch geklammerte Rohbau vollendet. Im September wurde das Schiff wieder demontiert, in insgesamt 144 Einzelteile zerlegt und auf die Eisenbahn verladen. Nach dreitägiger Fahrt traf der Transport in Fußach ein, wo er auf speziellen Straßenfahrzeugen zur Endmontage in das Werftgelände transportiert wurde. Die endgültige Kiellegung begann am 15. September und schon am 28. November konnte das Schiff vom Stapel gelassen werden. Innerhalb von drei Monaten war der Innenausbau beendet und vom 10.-16 März 1989 unternahm das Schiff seine ersten Gehversuche. Taufe und Indienststellung erfolgten am 18. März 1989 in Friedrichshafen. Als Zeichen der offiziellen Übergabe an die Bodensee-Schiffsbetriebe wurde die bis dahin geführte rot-weiß-rote Heckflagge eingeholt und die schwarz-rot-goldene deutsche Bundesflagge gehisst. Baronin Alexa von König-Warthausen, eine Enkelin des „Luftschiffgrafen“ taufte das neue Schiff feierlich auf den Namen "Graf Zeppelin".

Bald rückte das neue Schiff in den Mittelpunkt offizieller Anlässe. Im Mai 1989 feierte Graf Lennart Bernadotte an Bord der „Graf Zeppelin“ seinen 80. Geburtstag. Ein Jahr später fuhren der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und sein spanischer Amtskollege Felipe Gonzales mit dem Schiff von Friedrichshafen nach Konstanz. Aber auch gekrönte Häupter wie das schwedische Königspaar waren mehrmals auf der „Graf Zeppelin“ zu Gast. Gerne bevorzugt wurde das Schiff auch für die alljährlich stattfindende „Litera-Tour“, wo Autoren aus allen Teilen Europas ihre neuesten Werke präsentieren. Inzwischen hat sich die „Graf Zeppelin“ längst als „eigenständiges Objekt“ in die Typenvielfalt der „Weißen Flotte“ eingefügt. Als "Allwetterschiff" wird die „Zeppi“ wie das Schiff von den Besatzungen genannt wird, von den Fahrgästen bei kühler und unbeständiger Witterung besonders geschätzt. Neuere Schiffe wie die „Lindau“ (2006) und die „Überlingen“ (2010) haben die "Graf Zeppelin" inzwischen etwas in den Hintergrund gedrängt. Vom Saisonbeginn bis in den Herbst verkehrt das Schiff schon seit Jahren im strengen Liniendienst zwischen Friedrichshafen, Konstanz und Bregenz. Aber immer noch wird die „Graf Zeppelin“ für Fahrten mit gehobenem Ambiente bevorzugt. Besonders in den Monaten Juli und August zählen die attraktiven Abendfahrten von Konstanz und Meersburg zu den Bregenzer Festspielen dank der großzügigen Infrastruktur zu einem Privileg der „Graf Zeppelin“. Nach Einbruch der Dunkelheit zaubern die zwischen dem Hauptmast und den beiden Kaminattrappen aufgehängten Lichtergirlanden einen Hauch von Traumschiff-Atmosphäre auf den Bodensee. Im Frühjahr 2007 wurde das Heckteil um 2,80 Meter verlängert und das Schiff mit einem Bugwulst und Schlingerkielen ausgerüstet. Mit diesen nachträglichen Umbauten konnte nicht nur der Treibstoffverbrauch um rund 25 Prozent reduziert, sondern auch die Gesamtsilhouette verbessert werden. Schon vor Jahren war auf das ursprüngliche Dreifarbenschema zugunsten eines komplett weißen Außenanstriches verzichtet worden. Spätestens nach diesen kosmetischen Eingriffen gilt auch die „Graf Zeppelin“ als eine vielseitig verwendbare Einheit im Kurs- und Ausflugsverkehr.

(Karl F. Fritz)  

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