Sachlichkeit ersetzt Kult-Luke 

Der Unterschied könnte kaum größer sein: War es in dem markanten Flachbau des Architekten Hermann Blomeier zuletzt liebenswert, aber doch dunkel und ein bisschen unordentlich zugegangen, präsentiert sich die Wartezone für die Fähreüberfahrt jetzt hell, freundlich und vielleicht auch ein wenig steril. Am Wochenende haben die Stadtwerke die Zeitenwende abgeschlossen: Wo 50 Jahre lang Josephina Kronenbitter ihren von vielen Konstanzern geliebten und anderen Fährependlern gemiedenen Kiosk umgetrieben hat, ist jetzt das "Pura Vida" ("das reine Leben"), eine Mischung aus Bistro und Warteraum. Betrieben wird es von Rüdiger Niedzwietki, der auch die Bistros auf den Fähren selbst bewirtschaftet.

Im Inneren kommt seit dem Umbau die radikale Schlichtheit und Sachlichkeit des vielfach unterschätzten Baus zur Geltung. Dazu trägt das maßgeschneiderte Mobiliar ebenso bei wie die schmale Farbpalette. Wie es die Architektur fast aufzwingt, ist das "Pura Vida" in erster Linie weiß. Dazu kommt etwas Holz. Abgerundete Ecken an den spitzen Winkeln von Tresen und Haupttisch spielen auf die 50er Jahre an, ohne dass Innenarchitekt Peter Rohde (er gestaltete auch den Gastraum der "Kreuzlingen" modern um) ein billiges Imitat präsentieren würde. Im Zuge des Umbaus wurden die auch öffentlichen Toiletten im Durchgang zum William-Graf-Platz neu gestaltet

Im Bistro selbst, sagt Niedzwietki, sollen vor allem regionale Produkte angeboten werden. In der Tat kommt alles Bier aus der nahen Ruppaner-Brauerei. Auch Wein aus der Spitalkellerei kann erworben werden - als Souvenir vor der Heimreise oder als Mitbringsel, falls einem erst an der Fähre bewusst wurde, dass man nicht mit leeren Händen kommen kann. Zudem gibt es auch fast rund um die Uhr frisches Brot: Im Sommer will der Wirt sein Bistro täglich von 6 bis 24 Uhr geöffnet halten, im Winter soll abends allerdings früher Schluss sein.

Nach der Übergabe durch Stadtwerke-Geschäftsführer Konrad Frommer muss Niedzwietki nun beweisen, dass er nicht nur das richtige Angebot macht, sondern auch weitere Sympathien sammeln kann. Dass Josephina Kronenbitter aufhören musste, sei allerdings nicht ihm zuzuschreiben, sagen einhellig Frommer und der Gastronom selbst: Schon seit vielen Jahren ist ein Neubeginn an der Fährelände geplant. Nun hat das weiße Bistro mit dem eher steril klingenden Namen "Pura Vida" die kultige Luke tatsächlich ersetzt - man kann neben Verlust durchaus auch Fortschritt sehen.

Die Fähre-Lände

Die Betriebs- und Abfertigungsgebäude für die Fähre Konstanz-Meersburg wurden in den 50er Jahren von dem Architekten Hermann Blomeier gebaut. Er wollte ein Symbol dafür schaffen, wie sehr See und Schiffe die beiden Ufer verbinden: In Staad und Meersburg ragt je ein Glasrondell ans Ufer - wie zwei einander zugewandte Brückenköpfe. 

Das Konstanzer Rondell lag über Jahre brach, wird jetzt aber von einem Verein genutzt. Für die Fähre-Jubiläumsausstellung vor fünf Jahren hatten die Stadtwerke die Lände wieder hergerichtet, nachträglich eingezogene Wände entfernt und den durch die Panoramafenster frei gemacht. 

Nicht mehr zur Debatte steht ein Abriss des Gebäudes, wie ihn der ehemalige Baubürgermeister Volker Fouquet ins Spiel gebracht hatte. Architekturkenner sprechen dem Ländebau einen hohen Wert zu.

(Jörg-Peter Rau/Südkurier v. 16.06.08)

zurück